1. „Warum sind Tribüne und Flutlicht überhaupt erhaltenswert?“
Die noch unter Gründer Georg Melches errichtete Haupttribüne aus den 1950er Jahren verkörpert den visionären Geist eines Vereins, der in dieser Zeit nach langen Anstrengungen endlich zur
nationalen Spitze gehörte (Pokalsieg 1953, Meisterschaft 1955). Nach internationalen Vorbildern entworfen, war sie die erste Multifunktionstribüne (mit Gastronomie, Sporthalle, Wohnungen,
Mannschaftseinrichtungen, Sauna usw.) in Deutschland und gleichzeitig Ausgangspunkt einer neuen Generation von eleganten Stadionbauten in Stahlbeton. Als einer der ersten Plätze der
Bundesrepublik erhielt das damalige Stadion Rot-Weiss eine Flutlichtanlage, die dann Ende der 1970er Jahre erneuert wurde. Das Neue ist auch heute gut und wichtig, aber deswegen muss man nicht
unbedingt alles Alte zuschütten. In Essen besteht die große Chance, der oft austauschbaren aber unumgänglichen Logik des nicht erst seit gestern „kommerziellen“ Fußballs viele Jahre individueller
wie kollektiver Leidenschaft beiseite zu stellen: Tradition kann man zwar vermarkten, aber eben nicht kaufen – Wohl Denjenigen, die sie sogar anfassen können!
2. „Und wieso kommt man erst jetzt auf die Idee?“
Zwar sind viele (teils utopische) Stadionpläne in Essen in den vergangenen Jahrzehnten letztendlich gescheitert, bei allen Querelen hätte der offizielle Einsatz für die häufig schlecht geredete
Melches-Tribüne dennoch immer auch eine Gefahr für die öffentliche Zustimmung zu nötigen Modernisierungsmaßnahmen bedeutet. Dies ist nun nicht mehr der Fall und auch unsere Initiative richtet
sich in keinster Weise gegen den Neubau! Nicht zuletzt „Stuttgart 21“ hat aber gezeigt, dass breites ehrenamtliches Engagement erst mit der sichtbaren Veränderung möglich ist, solange die
Menschen nicht vorher ausführlich informiert und beteiligt werden – und davon kann aus verschiedenen Gründen im Falle des „Stadions für Essen“ nicht die Rede sein. Wir wollen dies mit einem
realistischen Kompromissvorschlag zum Vorteil aller nachholen!
3. „Wird dann nicht trotzdem der Bau des neuen Stadions gestoppt?“
Nein, dafür gibt es keinen Grund. Zunächst einmal wird gerade der vollständige Abriss des alten Georg-Melches-Stadions hohe Kosten im Millionenbereich verursachen, die bisher noch gar nicht
abschließend budgetiert sind. Ein Erhalt der alten Haupttribüne und z.B. des südöstlichen Flutlichtmastes betrifft zudem nicht das neue Bauwerk selbst (auch nicht die zukünftige Ost-Tribüne, mit
deren Bau erst in der kommenden Saison begonnen wird), sondern lediglich das weitere Umfeld bis zur Hafenstraße (Parkplätze, Zuwege). Dennoch würde sich natürlich die planungsrechtliche Situation
verändern (Flächennutzung, Sicherheitsauflagen, Betriebsbedingungen), weshalb wir auf die Kooperation aller Beteiligten angewiesen sind.
4. „Aber der Parkplatz wird doch angeschüttet?“
Das ist tatsächlich eine planerische Herausforderung, für die aber Lösungen erarbeitet werden können (und von der Initiative bereits in Angriff genommen wurden) – der kommende Niveauunterschied
lässt sich bereits an der Baustraße südlich der Haupttribüne ablesen: Möglich wäre z.B. eine (großzügige) Einbuchtung von der Hafenstraße aus bis an die neue Südostecke heran, damit bliebe auch
die charakteristische Zugangssituation des alten Stadions (mit dem Schriftzug) bestehen. Die nördlich abgeschnittenen Parkplätze erhalten ohnehin eine weitere Zufahrt entlang der
Berne.
5. „Und wer soll diesen Aufwand finanzieren?“
Die Stadt Essen (bzw. die GVE) stemmt bereits den Neubau und darf nicht weiter belastet werden, der Verein ist (zum Glück) um Verlässlichkeit und Solidität bemüht. Es ist jedoch in erster Linie
festzuhalten, dass hier nicht horrende öffentliche Gelder kurzfristig sentimental verschwendet, sondern möglichst bescheidene Mittel in den Erhalt eines absolut einmaligen und vor allem auch in
Zukunft vielfältig nutzbaren Gebäudes investiert werden sollen. Es geht um ein Projekt der (Fußball-) Kultur des Ruhrgebietes und die Identität eines Ortes, der genau darüber zu einem starken
Anziehungspunkt geworden ist. Von dieser Strahlkraft kann auch das neue Stadion, können mögliche Investoren, Förderer und Nutzer zweifellos einen Mehrwert erwarten.
6. „Fehlen dann nicht Sponsoren- Gelder für RWE?“
Nein, dieser Konflikt ist nicht zu erwarten. Die zukunftsorientierte Bewahrung symbolischer und funktionaler Werte unterscheidet sich grundsätzlich vom schnelllebigen und unsicheren
Sport-Sponsoring. Ein klares Bekenntnis aller Beteiligten und Verantwortlichen zum erstrebenswerten Fortbestand des GMS ermöglicht je nach (soziokultureller) Nutzung eher neue und breit
aufgestellte Finanzierungsmodelle: Fördermittel des Bundes (Stadtumbau West, Soziale Stadt), Denkmalschutzmittel, Stiftungsgelder, nicht zuletzt das private Engagement der Fans (auch
Eigenleistung), aber ebenso Einahmen durch Gastronomie, Kreativgewerbe, Ausstellungen usw.
7. „Wie soll die Melches-Tribüne dann unterhalten werden?“
Diese Frage ist sehr eng mit der vorherigen verknüpft, an Konzepten wird gearbeitet. Wir wollen eine offene und vorurteilsfreie Diskussion darüber, welche Gruppen mit dem Umzug ins neue Stadion
sogar Nachteile befürchten müssen und wer/ was von dem Standort Hafenstraße tagtäglich (nicht zuletzt eben auch wirtschaftlich) profitieren kann. Über seine wünschenswerte Aufwertung und bessere
Einbindung in den strukturschwachen Stadtteil besteht allgemeiner Konsens, dafür müssen also in jedem Fall die nötigen Einrichtungen und Mittel bereitgestellt – und dann natürlich auch
fortlaufend unterhalten werden. Das dies bisher aufgrund ständiger Unsicherheit bei RWE nicht geschah, kann keine Entschuldigung für die Zukunft sein!
8. „Wie könnte es jetzt weiter gehen?“
Dem Plan nach könnte ein Abriss des GMS ab dem kommenden Herbst 2012 erfolgen, parallel dazu wird bereits im neuen dreiseitigen Stadion gespielt und dessen vierte Tribüne gebaut. In Genau dieser
Übergangssituation sehen wir die Möglichkeit, während eines offiziellen Moratoriums (eines vorläufigen „Aufschubes“ des Abbruchs von Haupttribüne und Flutlicht) ohne politischen und zeitlichen
Druck die realistischen Zukunftsszenarien einer Erhaltung auszuloten – bis zu diesem Moment werden wir versuchen, die Öffentlichkeit von der Machbarkeit und dem enormen Wert dieses Ziels zu
überzeugen.